Mother India
- Astrid Sommer

- 29. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 19. Okt.
Weg von zuhause
Das Zuhause doch ganz nah in mir
Die klebrige Schwüle in der Luft
Gerüche vermischt aus Armut, Not, Glauben, Hoffnung, Schweiß und
Dingen, die ich versuche zu erspüren.
So weit von Zuhause, und, doch ganz nah mit mir,
weg von dem Zuhause, das der Zeit hinterherjagt,
dabei arbeitsam und fleißig,
im Tun zu wenig Zeit für Freunde, und nun
dankbar hier, weit weg von dort,
um die Entschleunigung durch
das, was nie vorhanden,
lächelnde Gesichter über weißen Zahnreihen,
Schmutz und Müll überall,
eine karmesinrote Sonne am Horizont,
die alles niederbrennt,
und mich milde stimmt,
trommelnde Feuerbälle in Goa
meine Haut ist hier zu hell
deine rote Erde
mother India.
Ganz im Sein,
alles verschmilzt,
ich mit Dir, und der Zeit,
hier
Stunden und Minuten,
Ewigkeit.
Die Kranken strecken hungrig ihre Hände aus,
bettelnd, ausgezerrt, still, nicht klagend, abgemagert
nach Essen,
und ich,
weg von Zuhause,
öffne die Augen ,
will sehen, hinschauen,
weg von Zuhause
dem Blinden reiche ich Nahrung,
fern vom Überfluss.
Ich umarme die kleine ausgehungerte Frau,
backwaters flußaufwärts,
subtropisches Vogelgeschrei
und die Rufe des Hindutempels in der klebrigen Luft,
voller fremder Gewürze,
roter Sari, noch kein Leichentuch,
trage ihren dürren Körper zum Gebet,
wiege sie im Arm,
wie ein kleines Kind,
und der dunkle Augenschlund verspricht mir die Ewigkeit.
Wir atmen die Erlösung
Der Rauch des hinduistischen Feuerrituals
Er brennt in meinen Tränen.
Mother India
Du gibst mir Farben,
Den Gestank von abendlichen Plastikrauchschwaden
Die Affenmutter säugt ihr Kind
Zimbeln begleiten die Blumenkörbchen
Dort wo der Ganges
Noch helltürkis aus den Quellen strömt
Durch Dein indisches Herz
Und die subtropische Hitze flimmert
Am Horizont
Ich brauche noch weniger
Als meinen Rucksack
Und werfe dabei den Ballast ab
Lasse mich durch den nebligen Dunst
Der fremden Gesänge leiten
An dampfenden silbrigen Töpfen vorbei
Tauche ein in eine Welt von lautem Chaos
Du bist ertragende Gelassenheit
Die Tigerspuren werden vom Wind verweht
Die Kühe sind heilig
Und das kleine Mädchen tanzt um ihr Leben
Die Götter sehen alles
Und ihr langes schwarzes Haar glänzt wie
Schwarze Seide ohne Witwentracht
Ich massiere den Bauch der Tuchverkäuferin
Der Wanderprediger nimmt meine Hand
Und liest mir aus dem Herz
Orange, stark, kräftig,
you are a very strong woman
you have a very good heart
you have a very good health
Und die Zahnreihen lächeln weiß
Was von Herzen kommt
Darf nicht mit der falschen Hand gegeben werden.
Mysterium, Gelassenheit, altes Wissen
Ich bin zuhause
Mother India

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