Unser Land
- Astrid Sommer

- 8. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Die Schuhe dreckverschmiert
und schwer vor Feuchtigkeit
schleppend gehen wir hintereinander
tragen schwarze Tücher
Unsere Köpfe sind gesenkt
die Blicke sind müde und schwer
wir gehen in Reihen
und wir fürchten uns
Unser Weg ist lang und
Kinder fallen weinend
ins Novembergrau
wer hat entschieden
Und unsere Brüste sind leer
die Milch ist versiegt
der Honigtopf liegt zerbrochen
wo sind unsere Brüder und Söhne
Unsere Hoffnung trägt
Trauer vor der Gewissheit
die mit dem letzten
Sonnenstrahl kämpft
Unsere blutigen Knie
und Du mein Kind
was kann ich Dir sagen
wo doch die Wunden schmerzen
Unsere Münder sind leer
die Zuckerrüben bleiben ungesüßt
die Augen blicken schwer
die Brotsuppe schmeckt karg
Unsere Alten stützen wir
Müde und fahl
sie wanken fort
manche sind geblieben
Unser Gehen kam über Nacht
wir konnten nichts verschieben
Ließen alles zurück
was wir liebten
Unsere Häuser stehen verlassen
Die Bäume in den Gärten tragen unseren Lohn
Die Schalen aus Kristall zerbrochen
Die kleine Puppe hast Du im Eck vergessen
Unsere Felder, die wir bestellten
Das besticke Kissen
Und die hölzernen Klötze
ließen wir zurück
Unseren alten Hund
konnten wir nicht tragen
wir sahen ihn an
hat er uns verstanden
Und ich frage Dich jetzt und heute
hast Du vergessen
woher Du kamst
als die Welt in Schutt und Asche lag
Du sagst, dies ist nicht mehr unser Land
Und ich höre Dich klagen
während wir in den Himmel schielten
und die Mauern zerlöchert standen
Und heute ist Dein Hunger gesättigt
Ich sehe so viele Tote dort am Strand
zerbrochenes Kristall
und die Puppe voller Algen
Das Meer hat sie alle angespült
die Rettungswesten auch
und der Topf mit der Brotsuppe ist leer
während der rostige Zaun die Hoffnung einfriert
Und Du bist satt
und sagst, der afrikanische Hunger
brüllt wie ein Löwe
hier in unserem Land
Doch du hast vergessen
woher Du kamst
und wirst es mir nicht verraten
und fürchtest um Dein Land
Die Felder sind von den Parolen niedergesengt
Und die Frau hat ihre Freundin an der Küste verloren
Du hast Deine Brüder verraten
Als sie Schmugglerpfade gegangen sind
Während der Schwarzmarkt blühte
und wir uns an den Händen hielten
Und heute willst Du nicht mehr wissen
woher Du kamst
Die Kornkammern von heute brennen
und wir befeuern stetig
damit unser Löwe nicht mehr brüllt
und Du siehst nur auf unser Land
Die Mutter stillt ihr Kind
ihre Zahnreihen stehen blitzblank
Mein dunkles Haar ist nicht von hier
es wächst in einem anderen Land
Hast Du jetzt und heute vergessen
woher Du kamst
während wir uns an den Händen hielten
ohne unser Land

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