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Donna Clara

  • Autorenbild: Astrid Sommer
    Astrid Sommer
  • 6. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

Erst vor drei Tagen durchlebte ich meine zweite Geburt, den Rollercoaster der beginnenden

Grauzone an Übergangsphase aller Emotionen sogar noch höher potenziert ebenfalls, anders

und in Neuauflage als noch eben erst vor 18 Jahren. Damals sass ich in der Pressphase

meines zweiten Kindes in einem wohlig gelben abgedunkelten 40m2 Wohnzimmer auf

meinem eigenen Gebärhocker, um meine Tochter Clara zuhause ins Leben zu begrüßen.

Sommerliche Schwühle rundum, ihre Schultern an meinem Schambein deutlich spürend,

während ich mir alle Mühe gab, ihren Körper in diese Welt zu schieben.

Die Geburt meiner ersten Tochter, 4080gr schwer, gegen 11:30 Uhr war es vollbracht. Und

mit ihren ersten eigenen Atmenzügen setzte vor den hölzernen Jalousien ein tosendes

Sommergewitter ein, der Wind kam mit voller Wucht, liess die Wellen des nahen

Starnberger Sees aufschäumen, kleine Kaiser mit weißen Kronen aus Gischt schaukelten auf

ihren Spitzen, es hagelte und donnerte.

In meiner Geburtshöhle machte sich unendlich tiefe Dankbarkeit und segensreiches Glück

breit, willkommen im Leben, Baby Clara.

Nun, 18 Jahre später, warten wir, die „Alten“,im Wohnzimmer, wir dürfen immerhin

anwesend sein, während die Freundesgruppe meiner Tochter in der Küche dam tagsüber

lang zelebrierten Chili sin carne fröhnt. Manchmal erhasche ich beim Getränkenachschub

einzele Fetzen einer neu aufgelegten Jugendsprache, deren Sinn und Inhalt letztlich doch

genau dieselben Themen beschäftigt als noch zu meiner Jugendzeit.

Am nächsten Morgen flitzt Clara mit ihrer jüngeren Schwester auf ihrer ersten eigenen

orange roten Vespa in ihre 18jährige fröhliche Autonomie.

Ich freue mich, und gleichzeitig bedeutet dieser Geburtstag umso mehr Lassen im Loslassen.

Das, war mir vor 18 Jahren gut gelang, mit vollem Körpereinsatz, höchster Konzentration,

der besten Absicht, dieses Kind nun endgültig aus der maximalen

Schwangerschaftgssymbiose ins eigene Leben zu entlassen, aus mir herauszuschieben, zu

atmen, für uns zu atmen, zu pressen, dabei mit tiefen Begleittönen alle in mir wohnende

Kraft ihr mit auf den Weg zu geben.

Ich bin also am 20.07.2007 selbst zum zweiten Mal aktiv Mutter geworden.


Meine schwangere Studentin, die mich diese Tage bei meinen Hausbesuchen begleitet, kann

in letzter Zeit nicht mehr so gut schlafen. Eli ist 29 Jahre alt, ihr kroatischer Freund besucht

derzeit seine Familie zuhause. Sie freut sich auf ihr Baby, weiß noch nicht so recht, ob sie den

nächsten Externatseinsatz auf der Frühchenintensiv antreten kann. Es ist tatsächlich eine

mentale Herausforderung, die Grenzen derart deutlich zu ziehen, trotz eigener

schlafunterbrochener Nächte, für die beruflichen Machbarkeiten tagsüber.


Ganz gleich, ob nun selbst Hebammenstudentin, oder PR Managerin, irgendwann kommt der

Zeitpunkt, da kann es zuviel werden, was von außen kommt, was sich dann unter

Umständen in vorzeitigen Wehen niederschlägt.


Den 18. Geburtstag meiner Tochter Clara habe ich also überlebt, belebt, durchlebt.

Beim Einkleben ihrer Babybilder in ein Geschenkealbum schwimmen sehr viele

unterschiedliche Emotionen in mir nach oben mit, das ist erstaunlich. Meine mütterliche

Erinnerung hat nichts davon vergessen, es ist wirklich, als wäre es gestern gewesen.


Geburt, eine Mutter wird geboren, ein Kind wird geboren.

Nun geht es nicht mehr um volle Windeln, sondern um das Problem, dass die aufgeladenen

Paypalcard in Paris dummerweise auf der Oberstufenfahrt nicht funktioniert.

Die Reste ihrer fruchtigen Geburtstagstorte habe ich gestern Abend erst eingefroren.

Spätabends, nachdem ich den Tag nochmal revue passieren ließ.

Eli und ich waren als Hebammen quer durch den Landkreis unterwegs, per whatsapp kurzes

Lebenszeichen von Clara, die kurz zuvor den Eifelturm bestieg, während wir zeitgleich

Herztöne eines Kindes in der 40. Schwangerschaftswoche hörten, die Schwangere zur

Selbstuntersuchung ihres Muttermundes anleiteten, geburtsvorbereitende Akupunktur

durchführen, mit ihr tiefe Atemübungen machten, hörbar, damit mit einem tiefen Ton

wirklich klar sein darf, wieviel Kraft und Energie wir Frauen doch in uns haben, um ein Kind in

diese Welt zu gebären. Konfrontation mit allerlei Selbstzweifel, Sorgen, Respekt vor der

bevorstehenden Geburt. Wir machen Mut, schenken Vertrauen, motivieren, bestärken.

Bekommen im Gegenzug Gewissheit und ebenso Vertrauen geschenkt.

Ich durchlaufe also selbst die Lebensschule des Lassens, Loslassens, Vertrauens, darf mich

konzentrieren. Mich freuen, dass der Wind heute am Ammersee viele bunte Segel auf die

Oberfläche setzt und das Wasser im Vorbeifahren eine tiefe türkise sonnendurchflutete

Färbung aufweist.

Ich bin dankbar und im Glück.

Und freue mich auf Claras Rückkehr.

Geburt ist also lebenslänglich.

Ob mit Donner, mehr im Stillen, zuhause, oder in der Klinik.

Ich finde, wir sind mutig, wir Frauen, wir, die wir Leben schenken. Aushalten, manchmal

jeden noch so kleinen Schmerz mitertragen, irgendwann geht es dabei nicht mehr um die

Gewichtsentwicklung der Anfangszeit, die mit Freude, Überraschung, Erwartung beobachtet

wird, manchmal schwingt auch die Sorge mit, es könnte nicht genug sein.

Bin ich genug Mutter, reicht es, was ich gebe, was ich tue.


Am Abend falle ich todmüde ins Bett, ich bin froh.

Ich habe den 18. Geburtstag geschafft, Kind 2 ist nun also auch damit durch.

Und Baby Charlotte schafft es nach 6 Wochen endlich ohne Stillhütchen an der Brust zu

trinken.

Baby Lene hat eine tiefe Ruhe, die Sectionaht ihrer Mutter ist glücklicherweise reizlos.

Und Clara wandelt mittlerweile über den Sacre Coer.

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