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Salz des Lebens

  • mail53126
  • vor 4 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit

Ich fahre über die Insel. Rote flackernde trockene Erde ringsum, der Fahrtwind weht mir einzelne Haare durch die offenen Fenster ins Gesicht. 

Abendsonne auf glühendem Boden: Verbrannte Erde. Dazwischen fliegen kleine grüne Flecken einer der Trockenheit trotzenden Natur an mir vorbei. Verblühender Ginster, mediterrane Kiefern, schiefe orange schimmernde Steinmauern, Schafherden auf den Feldern, Zikaden streichen im Abendorchester um die Wette. Goldene Felder im Morgenlicht, blendend hell, Staubpartikel in der Luft bevor die Haut schwitzt. 

Die Sonnenuntergänge über einem Ozean, der zuvor zu überwinden ist. Wiederkehrend, gleichbleibend, außer hinter pastellfarbigen Dunst unkenntlich verschleiert, dann dennoch bezaubernd und betörend. Die klebrige salzige Nässe desnachts auf allem, was draußen bleibt und die Hitze des Tages ankündigt. Sonne, die die Tage schier verbrennt und ein und derselbe Mond, der zyklisch seine volle Helligkeit in schlaflosen Übermut verwandelt.

Pure Nachthimmel über dem schwarzen Meer zaubern verglühende Sternenbotschafter ins Dunkel. Kosmische Verwandlungen von weit her, Feuerwerke im Augusthimmel fern von menschlich erzeugter Helligkeit. Es fallen die Tränen des Heiligen San Lorenzo direkt in meinem Schoß. Von dort hebe ich sie auf, behutsam. Ich schüttle mein Sternenkleid aus, das ich mir zuvor übergezogen habe. 

Die Magie der Insel breitet ihre Arme also wieder aufs Neue für mich aus.

Wochen voller Arbeit liegen hinter mir. Streng genommen, es sind Monate vergangen. Und aus den Monaten wurden Jahre, viele Jahre.

Vollgestopft mit den täglichen Notwendigkeiten eines Lebens bestehend aus Mutterschaft und Berufstätigkeit.

Während der Schulzeit klingelt mein Wecker um 06:15 Uhr. Es ist mein tägliches Tun, das wiederkehrend in der regulären Routine dieselben Dinge von mir abverlangt. 

Morgens begrüßt mich der Hund schwanzwedelnd, unvoreingenommen, freudig und jedes Mal aufs Neue gleich enthusiastisch.

Er beobachtet jede mögliche Regung meines noch im Halbschlaf steckenden Körpers, will den Moment nicht verpassen, bis ich tatsächlich endlich die Bettdecke zur Seite schiebe und dann aus dem nachtwarmen Bett schlüpfe.

Jahre meines Lebens habe ich meinen Kindern gewidmet, diese Jahre sind mit all dieser wiederkehrenden Routine vergangen, in der die Morgende sehr häufig noch nichts vom Abend wußten. Einzelne Tage, die mit der kindlichen Unendlichkeit nicht vorhandender Zeitkontigente befüllt waren.

Kleine Kinderfüße laufen nackt über neu gemalte Kreidekunstwerke auf der Terrasse und einmal quer durch die ganze Wohnung. Verteilen bunte Tupfer kindlicher Phantasie.

Sandkuchen mit Blumen verziert als Gesamtkunstwerk aus der Spielküche im Garten. 

Regennasse Gummistiefel in Reihe aufgestellt und warme Fußbäder nach einem schneeträchtigen Marsch im kalten Winter.

Heiße Schokolade mit krönendem Schaum zum Herzerwärmen bei selbstgebackenem Kuchen.

Abende am wärmenden Ofen und kleine Kinderkörper im Arm, wohlige Atemzüge dabei, während ich bunt illustrierte Kinderbücher vorlese, in unbekannte Welten entführe, voller Geschichten, Zauber, Phantasie.

Die Krabbenwettrennen am Strand von einst sind den derzeit angesagten Bräunungslinien meiner 15jährigen Tochter gewichen. 

Johannisbrot wird nicht mehr aufgesammelt. 

Und der angespülte Seetang dient lediglich müden sandverbrannten Füßen zur Erholung und hat als des Meereskaisers Haar ausgedient.

Doch das Salz des Wassers ist geblieben.

Die Kinder von einst haben ihre Unbedarftheit in junges Erwachsensein verwandelt. 

Sandkuchennotwendigkeiten und Brotzeitboxen morgens zur Schule mitgeben, wurden abgelöst vom ersten Liebeskummer. Von so mancher Erfahrung, die den bunten Pflastern aus dem roten Kummerkoffer entwachsen ist. 

Winnie Puhs Honigtopf schmeckt nicht mehr süß.

Der Wind, der vom Meer heraufzieht, flüstert mir seine Geschichten ins Ohr.

Ich brauche den Holzofen also nicht zu füttern, die tägliche Hitze reicht natürlich aus, damit ich langsamer bin und zuhören kann.

Den Geschichten von weither, die durch die weißen Segel übers Meer getragen werden:

Die Brandung, die der Wind in Wellen an die Felsen peitscht, schmerzbefreit und ohne Unterlass. 

Dem geräuschlosen Gleitflug der Seemöwen, der einzig von schrillen Rufen durchbrochen wird.

Dem sanft rauschenden Singen durch die Pinie, wenn die Dunkelheit den Tag ablöst und die Nacht so sternklar wie in 1000 und einer Nacht die Welt bedeckt.

Das Salz des Meeres hinterläßt nach dem täglichen Schwimmen kreisförmige Muster auf meiner Haut.

Zuvor bin ich eins mit dem Ozean geworden, bis er mich wieder ausgespuckt hat.

Das ist der Kreislauf des Lebens, wir beginnen alle damit, dass wir an Land gespült werden.

Ich befinde mich mittendrin.

Und die Erde, sie leuchtet am nächsten Morgen und am Abend wieder in demselben Rot wie einst: Warm, erhitzt, einladend. Vertraut, wie eh und je.

Mutter Erde unter meinen Füßen.

Ich bin zuhause.

Astrid Sommer

Voglweg 782319 Starnberg

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